Hallo,
ich hoffe ich nerve euch nicht langsam mit diesem Thema. Aber je mehr ich mich damit beschäftige, desto mehr Fragen kommen mir auf.
Im Moment überlege ich gerade folgendes: Sind das Clara-System und das Schoeps Kugelflächenmikrofon, nicht eigentlich vom Prinzip her fast dasselbe wie ORTF oder Ebs oder NOS. Bewirkt nicht letztlich der Trennkörper bei den zwei erstgenannten Systemen (im Gegensatz zur Jecklinscheibe), dass den zwei Kugelmikrofonen eine Richtcharakteristik aufgezwängt wird? Somit habe ich doch wie bei ORTF zwei gerichtete Mikrofone die etwa 20 cm Abstand haben. Und auch bei ORTF mussten doch die Pegeldifferenzen zumindest teilweise Frequenzabhängig sein. Schließlich nimmt auch bei jedem normalen Nierenmikrofon die Richtcharakteristik zu tiefen Frequenzen hin ab.
Wenn dem so wäre, wären Clara- und Schoeps-System ja im Grunde dem ORTF sehr ähnlich, nur dass man zusätzlich die Vorteile von Kugelmikrofonen erhält.
Hab ich jetzt einen Denkfehler begangen oder irgendetwas übersehen???
Gruß,
Lars
-------------------
Material:
Clara + Kugelflächen
http://www.sengpielaudio.com/Trennkoerp ... ysteme.pdf
OTF, EBS, NOS:
http://www.sengpielaudio.com/VergleichA ... onSyst.pdf
Nochmal Clara-System
Re: Nochmal Clara-System
"Sind das Clara-System und das Schoeps Kugelflächenmikrofon, nicht eigentlich vom Prinzip her fast dasselbe wie ORTF oder Ebs oder NOS."
"Und auch bei ORTF müssten doch die Pegeldifferenzen zumindest teilweise frequenzabhängig sein."
http://69.51.2.182/Aequivalenzstereofon ... Kugeln.pdf
Das stimmt eben nicht. Siehe die ORTF-Abbildung von Wuttke mit nach außen-gewinkelten Nierenmikrofonen.
Lautsprechstereofonie braucht frequenzneutrale Pegeldifferenzen. So wie es uns die üblichen Panpots vormachen. Auch das Blumlein-System als akustisches Panpot tut dieses korrekt. Jedes Mikrofonsystem mit einem Trennkörper erzeugt bei seitlichen Schalleinfallsrichtungen durch Abschattung fehlerhafte Spektraldifferenzen, die am Mikrofonort "in Natur" im Schallfeld nicht vorhanden sind. Auch übliche nach außen-gewinkelte Mikrofone mit Kugelrichtcharakteristik gehen wegen ihren nicht idealen Kugel in den Höhen in diese Richtung.
Deutlich hörbar wird dieser Fehler bei der Stereowiedergabe, indem die tiefen Frequenzen gebündelt aus der Mitte zwischen den Lautsprechern kommen und die hohen Frequenzen schön getrennt in die Richtung der Lautsprecher drängen. Wollen wir etwa so etwas?
"Und auch bei ORTF müssten doch die Pegeldifferenzen zumindest teilweise frequenzabhängig sein."
http://69.51.2.182/Aequivalenzstereofon ... Kugeln.pdf
Das stimmt eben nicht. Siehe die ORTF-Abbildung von Wuttke mit nach außen-gewinkelten Nierenmikrofonen.
Lautsprechstereofonie braucht frequenzneutrale Pegeldifferenzen. So wie es uns die üblichen Panpots vormachen. Auch das Blumlein-System als akustisches Panpot tut dieses korrekt. Jedes Mikrofonsystem mit einem Trennkörper erzeugt bei seitlichen Schalleinfallsrichtungen durch Abschattung fehlerhafte Spektraldifferenzen, die am Mikrofonort "in Natur" im Schallfeld nicht vorhanden sind. Auch übliche nach außen-gewinkelte Mikrofone mit Kugelrichtcharakteristik gehen wegen ihren nicht idealen Kugel in den Höhen in diese Richtung.
Deutlich hörbar wird dieser Fehler bei der Stereowiedergabe, indem die tiefen Frequenzen gebündelt aus der Mitte zwischen den Lautsprechern kommen und die hohen Frequenzen schön getrennt in die Richtung der Lautsprecher drängen. Wollen wir etwa so etwas?
Re: Nochmal Clara-System
Der "Denkfehler" liegt darin, dass beim Trennkörperverfahren, abhängig vom Trennkörper die Richtwirkung erst ab etwa 1000Hz zunimmt, also an der Grenze Grundtöne/Obertöne, und daher der Grundtonbereich schlecht lokalisiert wird, da die Laufzeiten zu gering sind. Bei ORTF u. ä. Systemen mit Nieren nimmt die Richtwirkung erst langsam ab etwa 100Hz ab, sodass nur der Tiefbassbereich, den unser Gehör ohnehin schlechter lokalisiert (deshalb reicht zB: ein Subwoofer bei Stereo), davon betroffen wird.
Gruß
Hermann
Gruß
Hermann
Re: Nochmal Clara-System
Der Trennkörper bewirkt frequenzabhängig sehr unterschiedliche Richtwirkung der Druckempfänger-Kapseln. Das ist nicht zu verwechseln mit der wesentlich weniger stark frequenzabhängigen Richtwirkung eines Gradientenempfängers. Gute KM-Nieren sind noch bei 250 Hz nahezu "Nieren". Man kann recht einfach ausrechnen, wie groß der Trennkörper sein müßte, um das zu erreichen.
Abgesehen davon: Ein Druckempfänger in einer Grenzfläche kann immer maximal Halbkugel-Richtwirkung zeigen. Ein Pegelabfall bei Schalleinfall aus 90° (bei der Niere 6dB) ist mit Druckempfänger in Fläche nicht realisierbar. Insbesondere bei nicht exakt nach außen zeigenden, "Rücken-an-Rücken" liegenden Halbkugeln ensteht also ein großer Bereich ohne jeglichen Pegelunterschied (nämlich innerhalb des von der Verlängerung der Montageflächen eingeschlossenen Winkels). Bei herkömmlichen Äquivalenz-Anordnungen ist dieser Bereich sehr klein.
Abgesehen davon: Ein Druckempfänger in einer Grenzfläche kann immer maximal Halbkugel-Richtwirkung zeigen. Ein Pegelabfall bei Schalleinfall aus 90° (bei der Niere 6dB) ist mit Druckempfänger in Fläche nicht realisierbar. Insbesondere bei nicht exakt nach außen zeigenden, "Rücken-an-Rücken" liegenden Halbkugeln ensteht also ein großer Bereich ohne jeglichen Pegelunterschied (nämlich innerhalb des von der Verlängerung der Montageflächen eingeschlossenen Winkels). Bei herkömmlichen Äquivalenz-Anordnungen ist dieser Bereich sehr klein.
Re: Nochmal Clara-System
Also erstmal danke für eure Antworten auf meine Frage!
OK, ORTF und Clara sind nicht gleich, denn die frequenzabhängigen Pegeldifferenzen liegen bei ORTF in einem Bereich der nicht so sehr "stört" und bei Clara und Kugelfläche deutlich höher.
Also ich verstehe die Theorie! Aber was ich bei der ganzen Sache nicht verstehe: Mein Kopf sagt mir "die Aufnahme muss fehlerhaft sein, das lässt sich logisch begründen" aber warum empfinde ich die meisten Clara-Aufnahmen trotzdem als "gut". Wie schon beschrieben gefallen mir vor allem die Tiefe der Aufnahmen und der allgemeine Klangcharakter. Ich finde ihn irgendwie ausgeglichen, ich möchte fast "edel" dazu sagen - da ist nichts Scharfes und nichts Nasale.
Der Effekt, dass hohe Frequenzen etwas zu den Seiten gedrängt werden ist vorhanden, keine Frage! Manchmal entsteht dann sogar eine Art Mittenloch, besonders dann, wenn tatsächlich mittig vor dem System kein Musiker spielt. Und das klingt dann wirklich nicht ideal - lässt sich aber auch einfach vermeiden. Doch bei den meisten Aufnahmen muss ich mich schon sehr darauf konzentrieren, um diesen Effekt irgendwie als störend zu empfinden. Die Lokalisation bleibt seltsamer Weise auch sehr stabil (was ja eigentlich dazu im Widerspruch steht).
Also, ich habe weiterhin den Eindruck, dass diese vermeintliche Schwäche von Clara und Kugelflächenmikrofon eher nebensächlich und in vielen (nicht allen) Situationen vernachlässigbar ist. Aber ich glaube da sind wir dann auch in einem Bereich den man mit "Geschmackssache" überschreiben kann. Insofern erübrigt sich wohl auch eine Diskussion darüber.
Gruß,
Lars
P.s.: Angeregt Durch eure Beiträge will ich gerne genauer testen, wie denn nun eigentlich die Richtwirkung von Clara bei verschiedenen Frequenzen ist, also würde ich gerne ein Polardiagramm erstellen. Gibt es da eine einfache Methode? Ich dachte an sowas: Mehrere Frequenzen in Sinus-Form anlegen, über Lautsprecher abspielen und den Lautsprecher nach und nach (vielleicht in 5 Grad Schritten) auf einer Kreisbahn um das Mikrofon versetzen. Da ich keinen Schalltoten-Raum habe, dachte ich, ich mache die Messung vielleicht draußen? Oder kann eine bißchen Vogelzwitschern die Messung zu sehr beeinträchtigen?
Wird diese Methode zu einem auswertbaren Ergebnis führen, oder gibt es was besseres? Und welchen Abstand von Lautsprecher zum Mikrofon sollte ich wählen?
OK, ORTF und Clara sind nicht gleich, denn die frequenzabhängigen Pegeldifferenzen liegen bei ORTF in einem Bereich der nicht so sehr "stört" und bei Clara und Kugelfläche deutlich höher.
Also ich verstehe die Theorie! Aber was ich bei der ganzen Sache nicht verstehe: Mein Kopf sagt mir "die Aufnahme muss fehlerhaft sein, das lässt sich logisch begründen" aber warum empfinde ich die meisten Clara-Aufnahmen trotzdem als "gut". Wie schon beschrieben gefallen mir vor allem die Tiefe der Aufnahmen und der allgemeine Klangcharakter. Ich finde ihn irgendwie ausgeglichen, ich möchte fast "edel" dazu sagen - da ist nichts Scharfes und nichts Nasale.
Der Effekt, dass hohe Frequenzen etwas zu den Seiten gedrängt werden ist vorhanden, keine Frage! Manchmal entsteht dann sogar eine Art Mittenloch, besonders dann, wenn tatsächlich mittig vor dem System kein Musiker spielt. Und das klingt dann wirklich nicht ideal - lässt sich aber auch einfach vermeiden. Doch bei den meisten Aufnahmen muss ich mich schon sehr darauf konzentrieren, um diesen Effekt irgendwie als störend zu empfinden. Die Lokalisation bleibt seltsamer Weise auch sehr stabil (was ja eigentlich dazu im Widerspruch steht).
Also, ich habe weiterhin den Eindruck, dass diese vermeintliche Schwäche von Clara und Kugelflächenmikrofon eher nebensächlich und in vielen (nicht allen) Situationen vernachlässigbar ist. Aber ich glaube da sind wir dann auch in einem Bereich den man mit "Geschmackssache" überschreiben kann. Insofern erübrigt sich wohl auch eine Diskussion darüber.
Gruß,
Lars
P.s.: Angeregt Durch eure Beiträge will ich gerne genauer testen, wie denn nun eigentlich die Richtwirkung von Clara bei verschiedenen Frequenzen ist, also würde ich gerne ein Polardiagramm erstellen. Gibt es da eine einfache Methode? Ich dachte an sowas: Mehrere Frequenzen in Sinus-Form anlegen, über Lautsprecher abspielen und den Lautsprecher nach und nach (vielleicht in 5 Grad Schritten) auf einer Kreisbahn um das Mikrofon versetzen. Da ich keinen Schalltoten-Raum habe, dachte ich, ich mache die Messung vielleicht draußen? Oder kann eine bißchen Vogelzwitschern die Messung zu sehr beeinträchtigen?
Wird diese Methode zu einem auswertbaren Ergebnis führen, oder gibt es was besseres? Und welchen Abstand von Lautsprecher zum Mikrofon sollte ich wählen?
Re: Nochmal Clara-System
Ich habe ein paarmal das KFM6 benutzt, und dabei jedesmal festgestellt: man muß wirklich ein ganzes Stück weiter von der Schallquelle entfernt sein als mit üblichen AB-Anordnungen. Selten wird man ein AB-Hauptmikrofon im Kontext einiger Stützmikrofone so weit weg aufstellen, daß ein Aufnahmebereich von +- 45° = 90° sinnvoll ist. Das KFM ist aber für genau diesen Aufnahmebereich ausgelegt.
Die Spreizung der Höhen fällt dann INNERHALB dieser 90° nicht so stark auf wie wenn es z.B. relativ knapp hinter dem Dirigenten stünde (ein guter Platz für AB mit etwa 50 cm Mikrofonbasis!). Richtig eingesetzt, kann es durchaus Sinn ergeben.
Nur: Ich habe den subjektiven Eindruck, daß dieser "Aufnahmebereich" von 90° nicht wie üblich durch die Lokalisation in nur einem Lautsprecher definiert ist, sondern eher durch die Grenze, hinter der es zu scharf oder zu gespreizt klingt.
Die Spreizung der Höhen fällt dann INNERHALB dieser 90° nicht so stark auf wie wenn es z.B. relativ knapp hinter dem Dirigenten stünde (ein guter Platz für AB mit etwa 50 cm Mikrofonbasis!). Richtig eingesetzt, kann es durchaus Sinn ergeben.
Nur: Ich habe den subjektiven Eindruck, daß dieser "Aufnahmebereich" von 90° nicht wie üblich durch die Lokalisation in nur einem Lautsprecher definiert ist, sondern eher durch die Grenze, hinter der es zu scharf oder zu gespreizt klingt.
Re: Nochmal Clara-System
http://www.ikt.uni-hannover.de/fileadmi ... =AbbildungIch würde gerne ein Polardiagramm erstellen.
Für ein Mikrofon von deiner Clara wird es genauso aussehen, wie hier in der Abbildung 1: Richtcharakteristik des menschlichen Ohres
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