für alle, die den "Clara"-Threat vor kurzem verfolgt haben hier ein paar neue Infos:
Da ich weder im Internet, noch in der Fachliteratur, noch hier im Forum echte Informationen zu diesem Trennkörper-Mikrofonsystems gefunden habe, habe ich wie angekündigt den Erfinder selbst, Hern Prof. Hinrich Peters, kontaktiert (ja, er lebt noch).
Er hat mir tatsächlich geantwortet und mir nach einigen freundlichen Email-Wechseln sogar ein paar Artikel auf CD-Rom und mehrere Testaufnahmen zugesandt. Leider darf ich davon nichts ins Netz stellen, weil das System bald von einem neuen Hersteller wieder auf dem Markt erscheinen wird. Vor 20 Jahren sind zwei Anläufe der Vermarktung gescheitert und so ist das System kaum verbreitet worden, entsprechend wenige Informationen findet man darüber.
In einer Ebay-Auktion habe ich gelesen, dass angeblich überhaupt nur 50 Stück davon hergestellt wurden, dass muss aber nicht stimmen.
Der umfangreichsten Artikel zu dem System stand mal in der Zeitschrift "Stereoplay" Ausgabe 4/1986. Vielleicht haben ja einige von euch diese alte Zeitschrift noch und können es nachlesen.
Mal ein paar allgemeine Infos: Das Clara System ist im Grunde eine Zwischending zwischen der Jecklinscheibe, dem Kunstkopf und der Grenzflächentechnik. Am ehesten ähnelt das Prinzip aber wohl dem Kugelmikrofon (Schoeps), welches allerdings später entwickelt wurde. Wenn ich es richtige deute, wurde versucht die Nachteile dieser Systeme zu umgehen und die Vorteile zu erhalten.
Also z.B. die Vermeidung von den Kammfiltereffekten durch Reflexionen an der Jecklinscheibe, der Verzicht auf die Nachbildung von Ohrmuschel und Gehörgang des Kunstkopfes (ungünstig besonders für Lautsprecherwiedergabe), und keine Einschränkungen bei der Positionierung wie bei Grenzflächenmikrofonen.
Die Vorteile aller System bleiben: Sehr mobil und unkompliziert im Aufbau und in der Aufstellung. Es können die Vorteile von Druckempfängern genutzt werden. Bei Kopfhörer-Wiedergabe ist eine Außer-Kopf-Lokalisation möglich.
Ein weiteres genanntes Argument allgemein für Trennkörper, dass hier im Forum aber wohl viele eher als Gegenargument sehen werden: Der Kopfbezogene Aufbau und entsprechend die Frequenzunterschiede je nach Schalleinfallsrichtung zwischen rechten und linkem Kanal, die Durch die Abschattung des Trennkörpers erzeugt werden. Hierzu wird man jedoch unter anderem auf Sengpiels Seiten sehr viel Negatives nachlesen können.
Ein zusätzlicher Vorteil von ?Clara? den ich noch ergänzen könnte ist, dass man, im Gegensatz zum Kunstkopf oder dem Schoeps-Kugelmikrofon, jedes x-beliebige Kleinmembranmikro verwenden kann. Man könnte Clara also auch als Kunstkopf oder Kugelmikrofon für Arme sehen

Zu der speziellen Form des Systems: Die Schiffsbugform stellt einerseits natürlich einen stilisierten Kopf dar, zusätzlich sollen durch die spezielle Form aber bewusst auch Raumanteile verringert werden. Die Reflexionen von der Decke werden wesentlich schwächer als die vom Boden aufgenommen. Der Grundriss ist übrigens parabelförmig. Die gesamte Konstruktion, wie auch die Position der Mikrofonöffnungen wurde empirisch mit vielen Testaufbauten ermittelt. Das muss ja nichts schlechtes sein - siehe Decca-Tree.
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Soviel zu den "Fakten", und nun meine eigenen Erfahrungen:
Ich habe mir mittlerweile einen Clara-Trennkörper günstig auf Ebay geschossen! Ich wollte einfach selbst die Vor- und Nachteile entdecken. Ich habe auch bereits eine Testaufnahme damit gemacht: Ein klassisches Gitarrenquartett. Ich hab für das Clara-System zwei Rode NT5 mit den neuen Kugelkapseln verwendet und als Vergleich noch ein Klein-AB mit Oktava 012ern (ebenfalls Kugel) aufgestellt. Ich hatte leider keine vier gleichen Mikros zur Verfügung.
Natürlich ist eine Aufnahme etwas mager um ein System zu beurteilen, aber zusammen mit den Aufnahmen von Herrn Peters, habe ich zumindest schon einmal einen ersten Eindruck gewonnen.
Folgendes ist also vollkommen subjektiv und nicht allgemeingültig:
Subjektive Auswertung meiner Testaufnahme:
Klangeindruck Clara:
- Sehr genaue Lokalisation, viel mehr Tiefenstaffelung als bei AB, subjektiv mehr Abstand zum Klangkörper (mehr Diffusschall?) als bei AB, Raumklang ist trotzdem subjektiv ?weniger? als bei AB, der Raum wirkt ?entschärft?. Allgemein ist das Klangbild tatsächlich sehr natürlich, und (sorry, für dieses Wort) ?warm?. Seltsamer Weise ist die Aufteilung auf der Stereo-Achse auch deutlich breiter als beim AB. Also Gitarre 1 und 4 erscheinen jeweils deutlich weiter links und rechts. Ich hätte jetzt wegen der breiteren Mikrofonbasis bei AB etwas anderes erwartet.
Klangeindruck Klein-AB:
- Diffuseres Klangbild, weniger gute Lokalisation, dadurch jedoch auch etwas spektakulärer, da der gesamte Bereich zwischen den Lautsprechern schön gleichmäßig ausgefüllt erscheint. Der Klangkörper erscheint näher und direkter, trotzdem nimmt der Raum sehr viel mehr Einfluss auf den Klang. Das Klangbild wirkt ?heller?
Dass nun das eine besser klingt als das andere, kann ich nicht sagen, denn die beiden Systeme klingen einfach sehr unterschiedlich ? also Geschmackssache.
Damit ich nicht zu sehr höre was ich hören will, habe ich ein neutrale Person (ohne musikalische oder tontechnische Ausbildung) gefragt: Was findest Du besser? Nach mehrmaligem hin und her war dann das Ergebnis: ?Ich weiß nicht, klingt beides gut. Ich glaube Nummer 1 (AB) gefällt mir einen Tick besser aber dafür klingt Nummer 2 (Clara) irgendwie satter?.
Der kritischste Punkt, den ich beim Hören meiner Aufnahmen und auch bei einigen der Aufnahmen von Herrn Peters zu hören glaube (nicht bei allen!), ist dass ich deutliche Tendenzen zu einem ?Mittenloch? höre. Mal mehr und mal weniger ausgeprägt. Vielleicht wird dieser Effekt tatsächlich davon hervorgerufen, dass höhere Frequenzen bei Trennkörpersystemen angeblich zu den Seiten gedrängt werden und tiefe Frequenzen in die Mitte (siehe Sengpiel). Dann wundert mich aber, dass die Lokalisation trotzdem stabil ist und sich nicht bei unterschiedlichen Noten ändert. Vielleicht ist es auch nur eine Sache der Aufstellung
Also das verstehe ich noch nicht so ganz und muss es in jedem Fall noch weiter austesten. Mal andere Abstände, andere Mikrofone, andere Räume etc. Vielleicht sogar auch mal schauen was passiert wenn man ein zusätzliches Mittenmikrofon aufbaut.
Also ich bin nach der ersten Erfahrung mit ?Clara? (der Name steht übrigens für ?klar? und für die Musik: Clara Schumann) zumindest recht froh, dass ich mir das Teil angeschafft habe. Es bietet mir eine neue Alternative zu allen anderen Systemen und ich muss auch sagen, dass ich bis auf den einen Kritikpunkt ziemlich angetan von dem natürlichen Klangbild bin. Über Kopfhörer abgehört ist das ganze natürlich Systembedingt besonders eindrucksvoll, aber ich finde auch die Lautsprecher-Wiedergabe durchaus überzeugend. Aber auch dieses System ist wieder einmal keine Wunderwaffe die immer funktioniert und immer die beste Wahl ist.
Gruß,
Lars