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Re: Sengpiels siebter Oberton der Geige und anderen Streichinstrumenten

Verfasst: So 25. Feb 2007, 21:06
von Klaro
Vom Spektrum und dem Klang der Geigen: Die übliche Stelle des Anstreichens ist in der Nähe eines Endes der Saite, am Steg, was eine bessere Verteilung von geradzahligen and ungeradzahligen Harmonischen zur Folge hat. Ein Problem gibt es mit der 7. Harmonischen, welche die etwas zu tiefe Septime über der Doppeloktave des Grundtons ist. Streicht man etwa bei 1/7 der Saitenlänge an, so kann diese Harmonische gemildert werden.
Die siebente Harmonische eines Grundtons ist ja vom Klang her so gut wie die kleine Septime und diese liegt von der Stimmung her etwas zu tief.
Im Text erkenne ich keine Anweisung, wie man etwa besser Geige spielen könnte, sondern dass man auf die Septime im Klang achten kann und es die Möglichkeit gibt, beim Greifen auf der 1/7 Saitenlänge dieses "unsaubere" eventuell störende Septimenintervall in seinem Lautstärkeanteil zu mildern.
Das haben wir im Physikuntericht mit einem Monochord so gemacht und mit einem Frequenzanalysator nachgewiesen.

Re: Sengpiels siebter Oberton der Geige und anderen Streichinstrumenten

Verfasst: So 25. Feb 2007, 23:21
von Mathematiker
Wie hoch ist die Amplitude des siebenten Tons der Obertonreihe verglichen mit jender des Grundtons?
BTW: Bei Orgeln verwendet man Mixturen (ueblicherweise Terzen und Quinten, ich bin aber auch schon Septimen begegnet) um einen strahlenden Klang zu erreichen.
Gruss,
Mathematiker

Re: Sengpiels siebter Oberton der Geige und anderen Streichinstrumenten

Verfasst: So 25. Feb 2007, 23:57
von Joy-Joy
Stimmt. In der Mixtur gibt es das Orgelregister 1-1/7' (Ein-einsiebtel) Fuß; das sind zwei Oktaven und eine "reine" kleine Septime höher. Klingt zumindest interessant. Da kann man diese Fast-Septimen-Amplitude nach Belieben hinzumischen, wenn man ein Zugriegelregister davon auf seiner Hammond-Orgel hat.

Re: Sengpiels siebter Oberton der Geige und anderen Streichinstrumenten

Verfasst: Mo 26. Feb 2007, 10:51
von leifislive
... soll das heissen, dass wenn ich näher über dem Griffbrett streiche ich vornehmlich den siebten Obertion vermindere und deswegen der Klang dumpfer wird? Das kann ich nicht so ganz glauben, dass das die einzige Ursache ist.
... oder soll es heissen, dass es das besondere von Streichinstrumenten ist, dass der siebte Oberton im Spektrum "hervorsticht"?
Ich war nun mal insbesondere über das Anstreichen bei 1/7 verwirrt, weil das habe ich bisher noch nier gehört als Begründung so weit oben zu streichen. Aber so wie es mir scheint geht es eher um die Beschreibung eines physikalischn Phänomens.

KURZ UM - wenn ich dir und allen anderen dies folgenden Fragen stellen darf:
- Weisst du vielleicht, was die physikalische Ursache dieses Obertons ist?
- Weisst du, was bzgl des Obertonspektrums generell passiert, wenn ich zum Griffbrett mit dem Bogen gehe? Verändert sich das Verhältis geradzahlig zu ungeradzahlig oder wird das Spektrum generell "kürzer"?

Danke Und Grüsse
Lef

Re: Sengpiels siebter Oberton der Geige und anderen Streichinstrumenten

Verfasst: Mo 26. Feb 2007, 11:07
von Ton_Opa
Die Obertöne des Streichinstruments treten immer in "reiner Stimmung" hervor.
Dieser Effekt tritt also bei einem monophon, solo gespielten Instrument überhaupt nicht auffällig in Erscheinung.
Spielt jedoch ein weiteres Instrument diese Septime als Grundton mit, ergibt sich eine deutlich Differenz zum Oberton des ursprünglich gespielten Grundtones, wenn die Instrumente wohltemperiert gestimmt sind - was man annehmen sollte, bei Saiteninstrumenten aber nicht der Fall sein muss.
Vielleicht mal was über Tonleitern lesen?
http://www.mv-sulzbach.de/glossar/desstimmung.htm
Grüße
Opi

Re: Sengpiels siebter Oberton der Geige und anderen Streichinstrumenten

Verfasst: Mo 26. Feb 2007, 12:22
von Goin
... oder soll es heissen, dass es das besondere von Streichinstrumenten ist, dass der "siebte Oberton" im Spektrum "hervorsticht"?
leifislive, aufpassen und genau sein, wenn man das Wort Oberton in den Mund nimmt.
Unser Thema: Vom Spektrum und dem Klang der Geigen
http://www.sengpielaudio.com/VomSpektru ... Geigen.pdf
Ebs schreibt dort: Diese Obertöne werden auch Harmonische, Partialtöne oder Teiltöne genannt, wobei der Grundton bei den drei letzten Bezeichnungen die Nummer eins hat. Das heißt, der 2. Partialton, der 2. Teilton oder die 2. Harmonische sind identisch mit dem 1. Oberton.
Die Zahl 7 steht in den Bildern für die 7. Harmonische und das wäre als Zahl des Obertons eine 6. Also Harmonische minus 1.
Vom 7. Oberton (das wäre der nächste) wird nicht geredet.
Die Septime über dem Grundton ist die 7. Harmonische, aber der 6. Oberton.
Das wird häufiger mal verwechselt.
http://www.sengpielaudio.com/Harmonisch ... rtoene.pdf
In der Abbildungen von "Vom Spektrum und dem Klang der Geigen" sticht bei der angestrichenen g-Saite und der e-Saite kein Oberton hervor! Im Text steht nicht, dass allgemein bei Streichinstrumenten irgend ein Oberton "hervorsticht". Es geht dort um eine bestimmte Anstrichstelle und die 7. Harmonische.

Re: Sengpiels siebter Oberton der Geige und anderen Streichinstrumenten

Verfasst: Mo 26. Feb 2007, 14:01
von Mathematiker
"- Weisst du vielleicht, was die physikalische Ursache dieses Obertons ist?"
jJein. Das Zeitverhalten der Saitenschwingung laesst sich mittels Eigenwertzerlegung (Spektralzerlegung) beschreiben. Das entspricht einer Darstellung mittels Resonanzen. Die Eigenvektoren bilden mathematisch eine vollstaendige Hilbertraumbasis, dh., jede Loesung laesst sich nach diesen Eigenvektoren zerlegen. Jede Loesung laesst sich mit Hilfe dieser "Resonanzen" beschreiben. Anteile der Anfangsauslenkung, Anfangsgeschwindigkeit sowie der Anregung, also Anteile dieser an den eizelnen Eigenschwingungen, gehen in die Loesung ein... Das ist aber eine mathematische Erlaeuterung, keine physikalische. Ich wuerde das nicht unbedingt als "Ursache" bezeichnen wollen.

"- Weisst du, was bzgl des Obertonspektrums generell passiert, wenn ich zum Griffbrett mit dem Bogen gehe? Ver�ndert sich das Verh�ltis geradzahlig zu ungeradzahlig oder wird das Spektrum generell "k�rzer"?"
Ich kenne natuerlich die Klangaenderung, wenn man sul tasto spielt, habe mir aber bisher das Spektrum nicht speziell dafuer angesehen. Bei Instrumenten und der Singstimme kann zwar nach obiger mathematischer Erlaeuterung die Zerlegung nach Eigenvektoren als Erklaerung hinzugezogen werden. Physikalisch und psychoakustisch bedeutsamer sollten allerdings die Formanten sein. Das Spektrum wird nicht "kuerzer" werden. Die Spektralverteilung wird sich natuerlich verschieben.
Gruss,
Mathematiker

Re: Sengpiels siebter Oberton der Geige und anderen Streichinstrumenten

Verfasst: Mo 26. Feb 2007, 22:52
von Klaus S
Ich kenne das Problem eher von gegriffenen Zupfinstrumenten, und da ganz besonders bei Solid-Body-E-Gitarren, womöglich mit Verzerrung und beim Spielen von Zwei- (oder Mehr-)Klängen. Erwischt man eine Hals/Korpus-Resonanz, und einen Schwingungsbauch auf der Saite über dem/den Pickup(s), schlägt der betroffene Oberton voll durch. Ob es dazu kommt, ist sehr instrumentenabhängig (und auch der Unterschied zwischen einer Stratocaster, einer Les Paul und einer Les Paul ;-).
Das Problem ist dabei aber eher auf dem 4. Oberton (große Terz), die auch etwas niedriger als der temperierte Ton liegt. Zusammen mit diesem ergibt sich zwar eine noch akzeptable Schwebung, wenn man dabei aber eine kleines Terzintervall spielt (auf zwei Saiten), gibt das dann ein "Massaker der kleinen Sekunde". Gute Gitarristen versuchen schon, durch Wahl des Anschlagort solche Interferenzen zu vermeiden, bzw. versuchen durch leichtes Ziehen der richtigen Saite möglichst reine Intervalle, auch in den Obertönen, zu spielen. Schon bei den beliebten Quint- und Quart-Powerchords muss man immer eine der Saiten etwas ziehen, damit sie rein klingen.
Manche Intervalle, und auch schon manche Einzeltöne, gehen auf einem bestimmten Exemplar einer Gitarre einfach nicht sauber, selbst wenn der Gitarrist versucht, den Anschlagort passend zu wählen. Speziell bei Les Pauls mit hoch eingestelltem Tailpiece kommt es nämlich zum (meist erwünschten) Octave-Shifting: von jedem Ton wird auch immer die doppelte Frequenz (und auch andere) mit der Zeit angeregt (jedoch korpusabhängig), so dass nach einer Weile doch wieder alle Obertöne auftauchen, selbst wenn einer im Anschlag ursprünglich unterdrückt wurde. Die Gitarre versucht ständig, alle Energieanteile der lateralen Saitenschwingungen eine Oktave höher zu schieben.
Und es gibt ja noch ein Problem bei Saiteninstrumenten, die saiten- und lagenabhängige Spreizung der Obertonreihen, wg. der Saitensteifigkeit. Das kommt zwar obigem Problem etwas kompensierend entgegen, führt aber dazu, dass nach Stimmgerät auf Leersaiten gestimmte (und womöglich damit "bundrein" eingestellte) Gitarren in den oberen Lagen immer zu hoch gehört werden, weil die zu hohen reinen Obertöne (Oktave, Quint) die Tonhöhenempfindung dominieren.
Und bei E-Gitarren speziell gibt es noch die "Stratitis", wo duch den Zug der Pickupmagnete die Saitenschingung unsauber wird...
Grüße, Klaus

Re: Sengpiels siebter Oberton der Geige und anderen Streichinstrumenten

Verfasst: Di 27. Feb 2007, 11:45
von leifislive
Ein Glück das wir keine Bünde haben als Celli...
Gestern hatten wir Barockorchester Probe und uns natürlich ca. 2h nur mit den D-Dur Stücken der h-moll Messe beschäftigt...
Kurz um, da gibt es einige fiese Septimen Akkorde, aber die werden durch den Anstrich bei 1/7 der Saite auch nicht sauberer, zumindest nicht auf unserem (Hochschul)niveau. Fakt ist bei Streichern zumindest, dass man mit starkem Anstrich schon durchaus einen viertel Ton an Höhe "gewinnen" kann. Und ausserdem hört das Ohr ja bekanntermaßen auch noch bei hoher Lautstärke anders.
Allerdings kann diese Phänomen der Obertonbetonung abhängig von der Anstrichstelle vielleicht erklären, warum bei Darmsaiten (da ist es mir bisher immer am stärksten aufgefallen) die Gruppenintonation durch gleiche Anstrichstelle schon sehr stark gewinnt, auch wenn ich hierfür immer bisher Druck und Strichgeschwindigkeit als Ursache angesehen habe.
Ich werde auf jeden Fall dies weiter Beobachten, nur denke ich, dass das nicht nur ein Septimenproblem ist, und vermutlich in einem Ensemble das letzte Problem unsauberer Intervalle ist...

Grüsse
Leif

Re: Sengpiels siebter Oberton der Geige und anderen Streichinstrumenten

Verfasst: Di 27. Feb 2007, 16:26
von pkautzsch
Ein ähnliches Phänomen wie den "Viertelton durch Anstreichdruck" findet man bei bundierten Instrumenten durch unterschiedlichen Druck der Greifhand. Gerade moderne E-Gitarren mit hohen Bundstäbchen sind da etwas anfällig.
Warum? Durch den Druck erhöht man die Saitenspannung.

Re: Sengpiels siebter Oberton der Geige und anderen Streichinstrumenten

Verfasst: Di 27. Feb 2007, 17:06
von .Jens
Moin...
"Ein ähnliches Phänomen wie den "Viertelton durch Anstreichdruck" findet man bei bundierten Instrumenten durch unterschiedlichen Druck der Greifhand. Gerade moderne E-Gitarren mit hohen Bundstäbchen sind da etwas anfällig.
Warum? Durch den Druck erhöht man die Saitenspannung. "
Richtig, und bei hoher Schwingungsamplitude wird auch im zeitlichen Mittel die Saitenspannung erhöht, was diese Frequenzverschiebung (mit) verursacht. Das ist allerdings ein Phänomen, was mit dem Obertonspektrum IMHO nicht so sonderlich viel zu tun hat. Ein stärkeres Hervortreten von Harmonischen ändert ja erstmal nichts an der Grundfrequenz, das sind vielmher zwei völlig unterschiedliche Effekte.
Jens

Sengpiels siebter Oberton der Geige und anderen Streichinstrumenten

Verfasst: So 25. Feb 2007, 19:30
von leifislive
Hi,
mir geistert da noch immer etwas von Sengpiel über "Vom Spektrum und dem Klang der Geigen" durch den Kopf:
"Ein Problem gibt es mit der 7. Harmonischen, welche die etwas zu tiefe Septime über der Doppeloktave des Grundtons ist. Streicht man etwa bei 1/7 der Sitenlänge an, so kann diese Harmonische gemildert werden."
Schön und gut, nur kenne ich keine Geigerin und keinen Geiger, die/der ihr Instrument dort anstreichen, es sei im extrem ppp, und dann, weil es dort einfach besser anspricht. Am Cello habe ich es probiert: 69 cm Saitenlänge -> ca. bei 10cm vom Steg anstreichen, naja weit über dem Griffbrett...
Aber das "Problem" habe ich klanglich nicht gefunden. Weiss jemand was es damit auf sich hat?
Danke und Grüsse