Dynamikkompression bei KLASSISCHER Musik?

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matt

Dynamikkompression bei KLASSISCHER Musik?

Beitrag von matt » Do 22. Mär 2007, 19:25

Hi!
Leute, ich weiß, das wird wohl ein Bandwurm-Thread werden, und wenn es schon einen dieser Art gibt, ok, haut mich!
Was sagt Ihr dazu?
http://www.audiotechnik.net/tipps/maste ... index.html
Also, ehrlich gesagt, ich habe bei Live-Mittschnitten von kleinsten Ensembles (4 Posaunen, Vokalquartett) mit dem Multiband-Komp. durchaus gute Erfahrung!
Gerade eben nicht ganz absichtliche Spitzen (z.B. Posaune, Einzelsänger) wurden eher positiv verbessert (zuerst ohne daß ich das direkt wollte...).
Mein Eindruck gegenüber der lautstärkekorrigierten, unkomprimierten Version war aber immer, daß geringfügig Raumanteile verändert wurden oder verloren gingen.
Hörbar aber wirklich nur über Abhöre bei absoluter Stille oder im guten kopfhörer.
Ich traf dann eine Art Nutzenentscheidung.
Was ich überhaupt nicht abkann, sind diese plattkomprimimerten Pop-Produktionen (durchaus prominent namhafteste), wo die Sängerin zuerst rau(s)chig fett singt (im Pianissimo) und die einsetzende Band dann völlig schlapp und drucklos daherkommt.
ABER: Bitte in diesem Thread: KLASSIK 1st !!

Dynamikkompression bei KLASSISCHER Musik?

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Erdie

ganz spezielle Frage zum Thema:

Beitrag von Erdie » Fr 23. Mär 2007, 09:48

Ich habe kürzlich einen Liederabend aufgenommen, bei dem vor dem Sänger eine Stereo Klein AB Stütze platziert wurde. Da die Stütze nur ca 1-1,5 m vor dem Sänger stand, kommt es an wenigen Stellen vor, daß Dynamikschwankungen durch Distanzänderungen auftreten. Die Hauptmikrofone sind verständlicherweise nicht davon betroffen. Wäre es jetzt praktikabel, den Pegel des Stützmikrofons leicht zu komprimieren, so daß die Bewegungen des Sängers weniger auffallen und das komprimierte Signal dann feindosiert der Mischung hinzuzufügen?
Klar, ich kann das einfach probieren, aber es gibt sicher Dinge, die sind von vorneherein tabu und dazu könnt Ihr mir sicher etwa sagen ..
Danke
-Erdie
matt

Jo, selbst nicht ganz behutsamer komp. wird selten gehört

Beitrag von matt » Sa 24. Mär 2007, 11:41

Beim Posaunenquartett (4 Profi-Orchestermusiker, die seit Jahren zusammenspielen) haben die Musiker die MB-komprimierte Summe als "direkter" und "frischer" bezeichnet. Posaunisten sind üblicherweise schon mit einem Klang-orienten Gehör ausgestattet. Aber man muß eben schon sehr genau die Details ins "Ohr-Visier" nehmen, um bei angeglichenem Pegel die Eingriffe der modernen Plugins zu bemerken. Bei Orgelmusik finde ich das schon wesentlich deutlicher bemerkbar (vielleicht wegen des extrem breiten Spektrums).
Ich glaube (oder befürchte), daß unsere Kundschaft (auch in der klassischen Musik) durchaus mehrheitlich hochpegeligere (max-komprimierte) Mixe favorisiert, wenn man nicht bewußt aufklärt! Mit den Abhörverhältnissen im Wohnzimmer hat Christopher natürlich recht, aber wirklich nur limitieren? Gerade im Pianissimo-Bereich liegen doch die Schwächen des Wohnzimmers, oder?
Siegfried Zynzek

Re: Dynamikkompression bei KLASSISCHER Musik?

Beitrag von Siegfried Zynzek » Do 22. Mär 2007, 20:01

Hallo,
es hängt wohl vom Zielmedium ab.
Ich habe sogar schon - als Konsument - klassische Musik nachträglich komprimiert. Also nicht die einzelnen Kanäle, sondern die Summe.
Zielsetzung: Aufbereitung von MP3s für die Fahrt in öffentlichen Verkehrsmitteln.
Ein begrenzter Dynamikumfang - und eine zu dichte Räumlichkeit - ist immer noch angenehmer als der restliche Störschall.
"Doing ... nächster Halt Kreuzberg Mitte - Türen öffnen links - sie haben Anschluß an ..."
pkautzsch

Re: Dynamikkompression bei KLASSISCHER Musik?

Beitrag von pkautzsch » Do 22. Mär 2007, 23:03

...womit wir wieder bei der Forderung wären, die Dynamikbegrenzung zumindest teilweise dem Endverbraucher zu überlassen. Wie bei manchen Heimkino-Anlagen glücklicherweise inzwischen vorhanden.
Wer in seiner Villa Orchesteraufnahmen in nahezu originaler Dynamik hören will, der kann das dann, und wer dieselbe Aufnahme im Auto hören will und wenig Dynamik braucht, der kann das dann auch haben.
pkautzsch

Re: Dynamikkompression bei KLASSISCHER Musik?

Beitrag von pkautzsch » Do 22. Mär 2007, 23:07

Dynamikbegrenzung bei Klassik ist in Maßen sicher sinnvoll.
Die Frage ist nur: lasse ich das eine Maschine machen, oder mache ich das mit dem Finger am Fader?
Ich persönlich mache beides: die Maschine für die allerschlimmsten unvorhergesehenen Spitzen, schlicht und ergreifend ein Limiter auf -0.2 dBFS, und der Finger an der Maus, die den Bildschirmfader bewegt, für die "musikalische" Dynamik z.B. einer Altistin.
matt

Re: Dynamikkompression bei KLASSISCHER Musik?

Beitrag von matt » Do 22. Mär 2007, 23:39

Jojojo!
Genau. Hier sind wir am Kernpunkt des Problems, Bildung oder Kompromiss?
Jetzt mal extrem ;-):
Ich glaube, der Endverbraucher (?!) wird gerne von den Herstellern (auch uns?) bewußt möglichst dumm gehalten zwecks Gewinnmaximierung.
Was würde es einem Auto-Hifi-Hersteller nützen, wenn seine "Präsentation" sich mit solch simplen Tricks (Max Comp.) nicht mehr vom Alltag von Fahrer X unterscheiden ließe?
Und die Edel-Hifi-Schmiede deckt die andere Seite ab, die nie im Auto Musik hören wird. Irgendwie schade für beide, oder? Ich ergreife da bewußt keine Seite, da ich speziell bei Autofahrten durch Rundfunkübertragungen schon recht viele musikalisch neue Horizonte erfahren durfte, und die darauf bestellte CD brachte dann eben genau das erahnte "+". Die MUSIK war aber im Auto schon erfahrbar (Kein S-Klasse Daimler sondern 97er Opel Vectra @ 160...).
Conclusio: Wir schwimmen alle im Wasser...
hafi69

Re: Dynamikkompression bei KLASSISCHER Musik?

Beitrag von hafi69 » Fr 23. Mär 2007, 00:48

Hallo,
ich bin zwar kein Spezialist für klassische Musik, mache aber viel "handgemachte", akustische Musik mit tw. viel Dynamik.
Ich gehe davon aus, daß klassische Produktionen sehr wohl leicht komprimiert und limitiert werden.
Das war früher ohnehin tw. nötig wg. der eingeschränkten Vinyl-Dynamik.
Und auch heute ist die Dynamik eines Orchesters zwar ohne weiteres mit 16-Bit-Technik zu reproduzieren (es mag Extremfälle geben, dies sei dahingestellt...), nur ist das weder Wohnzimmer- noch Autokompatibel.
Ferner muß eine nötige Dynamikbearbeitung keine Verschlechterung/Verfremdung des Materials verursachen, ganz im Gegenteil.
Purismus macht hier keinen Sinn, denn:
Ein Wohnzimmer ist kein Konzertsaal und wird es auch nicht durch die Verweigerung angemessener Producktionstechnik!
Ich finde symphonische Musik selbst von LP manchmal noch fast zu dynamisch, was fehlt ist nicht zuletzt die visuelle Komponente (ja, ich war schon in einigen Konzertsälen!).
Ob MB-Kompressorren die bevorzugte Wahl sind wage ich stark zu bezweifeln.
Diese Geräte sind vor allem nützlich, wenn Mixe "gerettet" werden sollen oder zur maximalen "Lautmachung" beim Rundfunk. Sie verändern u.U. die Tonbalance mehr als Single-Band Geräte.
Früher wurden wohl (in Deutschland) oft Neumann/EMT/...-Kompressoren/Limiter eingesetzt, alles sehr transparente, analoge SolidState-Vollband-Geräte.
Heute gibt es modernere Gegenstücke dazu, z.B. GML 8900, Focusrite Red/Blue, Millennia TCL-2, Crane Song STC-8, Neve 33609, Weiss DS1, DBX 160SL.
Aber auch auf PlugIn-Ebene hat sich einiges getan.
Mein Ansatz wäre hier 1,5:1 bei mittel-langsamen Zeitparametern.
Gruß,
Christopher
Holger

Re: Dynamikkompression bei KLASSISCHER Musik?

Beitrag von Holger » Fr 23. Mär 2007, 07:40

Hi,
leider haben die Autoradio-Hersteller vor sehr vielen Jahren versäumt, eine manuell zuschaltbare! Dynamikkompriemierungsfunktion einzubauen. Denn dass wäre meiner Meinung nach die beste Lösung gewesen. Produktion für die CD und die hochwertige HiFi-Anlage, im Auto wird die Dynamik durch das Radio selbst eben per zugeschalteter Kompressor-Taste an den erhöhten Umgebungslärm angepasst. Wäre auch für die Kofferradios in der Küche nett. Wie in meinen Aufsatz schon erwähnt bin ich in diesem Fall für die manuelle Dynamikeinengung in der Nachbearbeitung, wenn es nötig wird. Meines Wissens nach reagieren gerade auch die Besitzer hochwertiger Anlagen, die auch große Musikliebhaber sind, auf Kompression in der Klassik allergisch.
Viele Grüße
Holger


mobile Tonaufnahmen
Nikita

Re: Dynamikkompression bei KLASSISCHER Musik?

Beitrag von Nikita » Fr 23. Mär 2007, 10:16

Och...

Ich denke reine Musikliebhaber können Kompression nicht so ohne weiteres hören.
Ich würde behaupten Leute, die nie groß Kompressoren bedient haben hören kompression unter einer GR von 6dB überhaupt nicht, zumindest wenn die Zeitkonstanten sauber eingestellt sind.
Auch wenn sie noch so edle Anlagen haben.
Klaus-Dieter

Re: ganz spezielle Frage zum Thema:

Beitrag von Klaus-Dieter » Fr 23. Mär 2007, 10:58

Besser als automatisch zu komprimieren ist es, von Hand die Sänger-Stützmikrofone einzuregeln.
Die Stützmikrofone beim Sänger sind doch sicher während der Aufnahme von Hand ständig nach Bedarf mitgefahren worden.
Erdie

Re: ganz spezielle Frage zum Thema:

Beitrag von Erdie » Fr 23. Mär 2007, 11:32

Nein, ich habe die Stützmikrofone nach dem Soundcheck auf separate Spuren aufgezeichnet, um im Nachhinein flexibler pegeln zu können. Die Dynamik des Systems und der Mikrofon VV macht das locker mit, Rauschen bzw. Clipping war dabei überhaupt kein Thema. Es bestand vor Ort auch keine Möglichkeit während der Aufnahme zu monitoren, da die ganze Anlage im Zuschauerraum verdeckt in der Garderobe versteckt werden mußte. Die Feuersschutztüren mußten geschlossen werden und waren so dicht, das keine Möglichkeit zur Durchführung irgendwelcher Kabel bestand. Der Raum war nicht als Konzertsaal konzipert - für mich und die Musiker eine echte Herausforderung.
-Erdie
hafi69

Re: Jo, selbst nicht ganz behutsamer komp. wird selten gehört

Beitrag von hafi69 » Sa 24. Mär 2007, 23:29

""Mit den Abhörverhältnissen im Wohnzimmer hat Christopher natürlich recht, aber wirklich nur limitieren?""
Das habe ich auch nicht propagiert. Sondern eine sinnvolle Dynamikbegrenzung.
pkautzsch

Re: Jo, selbst nicht ganz behutsamer komp. wird selten gehört

Beitrag von pkautzsch » Sa 24. Mär 2007, 23:49

Ich glaube (oder befürchte), daß unsere Kundschaft (auch in der klassischen Musik) durchaus mehrheitlich hochpegeligere (max-komprimierte) Mixe favorisiert, wenn man nicht bewußt aufklärt!
hafi69

Re: Jo, selbst nicht ganz behutsamer komp. wird selten gehört

Beitrag von hafi69 » Sa 24. Mär 2007, 23:53

Die McDonaldisierung der Musik macht eben auch vor Klassikkunden nicht halt...
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