Laufzeit- vs. Pegelpanning

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UranusEXP

Laufzeit- vs. Pegelpanning

Beitrag von UranusEXP » Di 30. Okt 2007, 00:57

Hallo,
mich beschäftigt seit längerem ein gewisser Widerspruch: Soweit ich den Überblick habe, verwenden die meisten TT Hauptmikrofonsysteme mit Laufzeitdifferenzen. V.a. im Surround-Bereich werden reine Pegeldifferenz-Systeme sogar oft belächelt. Warum greifen die gleichen Leute - Zeit ihres Lebens und ohne mit der Wimper zu zucken - an herkömmliche Pegel-Panpots? Warum gibt es nur ein (mir ist zumindest nur eines bekannt) Mischpult, das Pegel-, Äquivalenz- und Laufzeit-Panpots anbietet? In der digitalen Zeit gibt es doch keine "technischen" Entschuldigungen? Versucht man einfach noch immer, "digital" hauptsächlich auf möglichst "good ol' analog" zu trimmen und vergisst dabei, neue Ansätze zu entwickeln, die eben analog nicht mal möglich waren und die Vorteile digitaler Technik konsequent ausnutzen?
Auch stelle ich mir eine Frage zum Thema Monokompatibilität bei Laufzeitstereofonie.
Ja, die leidet natürlich. Allerdings böte sie eine andere Art der Kompatibilität, die heute vielleicht wichtiger wäre, nämlich für alltägliche, "falsche" Abhörsituationen, quasi eine "Dual-Monokompatibilität": Der iPod wird mit nur einem Ohrhörer benutzt, eine Box steht im Wohnzimmer, die andere im Esszimmer, im Auto sitze ich weit jenseits des Sweetspots. Ich brauche nicht zu erwähnen, das Intensitätsstereofonie hier keinerlei Kompatibilität aufweist. Hart gepannte (oh dieses Denglisch) Instrumente verlieren sich ganz. Das ist doch wesentlich schlimmer, als selbst schlechteste Monokompatibilität? Reines Laufzeitpanning böte ja auf beiden Kanälen exakt gleiche Lautstärkenverhältnisse. Selbst konsequentes Äquivalenzpanning, brächte da eine Verbesserung und wäre wahrscheinlich insgesamt der vorteilhafteste Ansatz.
Ich bitte um Aufklärung...:-)
Beste Grüße,
Uranus

Laufzeit- vs. Pegelpanning

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Rainer

Re: Kleiner Nachtrag:

Beitrag von Rainer » Mi 31. Okt 2007, 14:58

Die CD ist erschienen im Verlag "Musicaphon".

MfG
R
Bernd K.

Re: Laufzeit- vs. Pegelpanning

Beitrag von Bernd K. » Di 30. Okt 2007, 07:41

Hallo,
also bei Lawo-Mischpulten kannst Du auch die Laufzeit einstellen.
Rainer

Re: Laufzeit- vs. Pegelpanning

Beitrag von Rainer » Di 30. Okt 2007, 08:42

Hallo Kollege,

Vorbemerkung: Ich habe auch etwas gegen diese "Denglisch" bzw. "Engleutsch" und benutze statt "panning" das Wort "panoramisieren". Gehört von einem älteren Tonmeisterkollegen des ORF.
Wenn in den Mikrofonsignalen schon von vornherein Laufzeiten enthalten sind die zur Lokalisation dienen, dann wäre es falsch, wollte man durch ein reines Laufzeitpan"pot" diese nochmals verändern.
Bleibt hier die einzige Konsequenz: Die herkömmlichen Pegelpanpots zu benutzen und diese in die Eckstellungen zu bringen.
Wenn Du ein Stützmikrofon laufzeitmäßig panoramisieren willst, dann mußt Du es auf 2 Kanäle parallel legen und die beiden Panpots dann in die Eckstellungen bringen und die Richtung ausschließlich durch unterschiedliche Laufzeiteinstellungen in den Kanälen bewerkstelligen.
Das Yamaha-Mischpult O2R bietet z.B. in jedem Kanal ein Laufzeitglied bis 50 ms. Damit kann man ein Lauzeitpanpot auf die gerade beschriebene Weise simulieren.
Ich habe im Jahr 2000 eine Chor-CD auf diese Weise produziert, wo ich ausschließlich mit Laufzeiten gearbeitet habe.
4 Mikrofone vor dem Chor und jedes auf 2 Kanäle und dann mit Laufzeiten die Richtungen festgelegt.
Da das o.g. Pult ja mehrere Presets gestattet, hatte ich sowohl einen Laufzeit- als auch einen Preset mit konventioneller Panoramisiereung erstellt und im Umschaltvergleich dem Chorleiter zum Hören gegeben. Dieser entschied sich dann zur Laufzeitversion.

MfG
Rainer
Rainer

Re: Laufzeit- vs. Pegelpanning

Beitrag von Rainer » Di 30. Okt 2007, 08:46

Bei diesem Pult kostet auch ein Kanalzug (umgerechnet) 10 k? !

MfG
Rainer (ehemaliger Lawo-Mitarbeiter)
Juppy

Re: Laufzeit- vs. Pegelpanning

Beitrag von Juppy » Di 30. Okt 2007, 09:33

Ich habe im Jahr 2000 eine Chor-CD auf diese Weise produziert, wo ich ausschließlich mit Laufzeiten
gearbeitet habe.
4 Mikrofone vor dem Chor und jedes auf 2 Kanäle und dann mit Laufzeiten die Richtungen festgelegt.
Da das o.g. Pult ja mehrere Presets gestattet, hatte ich sowohl einen Laufzeit- als auch einen Preset
mit konventioneller Panoramisiereung erstellt und im Umschaltvergleich dem Chorleiter zum Hören
gegeben. Dieser entschied sich dann zur Laufzeitversion.
Ein "Hörpröbchen" von beiden Varianten wäre sicherlich interessant ...
Rainer

Re: Laufzeit- vs. Pegelpanning

Beitrag von Rainer » Di 30. Okt 2007, 09:47

Die CD mit dem Titel "Die Klänge ziehen" ist vom "Marburger Bachchor" unter Leitung von Wolfram Wehnert.
Habe allerdings die Orginalaufnahmeproben nicht mehr, sodaß ein vergleichendes Hören nicht möglich ist.

MfG
Rainer
UranusEXP

Re: Laufzeit- vs. Pegelpanning

Beitrag von UranusEXP » Di 30. Okt 2007, 17:32

Das finde ich ja schon mal höchst interessant. Ich denke vor allem an Anwendungen bei "geknüppelten" Rock- und Pop-Produktionen.
Aber noch einmal meine Frage, warum wird in der Mischpraxis fast nur mit Pegeldifferenzen gearbeitet und in der Aufnahmepraxis hauptsächlich mit Laufzeitdifferenzen? Ist man sich dieses Widerspruchs einfach nicht bewusst? Nur Studers Pulte mit "VSP" haben entsprechende Panpots integriert. Auch habe ich bisher noch kein Plugin gefunden (obwohl es 100te schwachsinniger Plugins gibt). Ich fände ein Plugin hilfreich, das man, ähnlich dem Image-Assistant, mit Hauptmikrofondaten füttert, und das dann entsprechend panoramisiert (cooles Wort!)...:-) Im Idealfall würde das Plugin die auch richtigen frühen Reflexionen generieren. Es sollte auch Blumlein, B-Format, etc. möglich sein. Studers "VSP" bietet einige dieser Funktionalitäten. Ich glaube ansonsten wären die Leute von CATT erste Wahl.
Könnte die "Dual-Mono"-Kompatibilität in der Praxis bedeutend sein?
Gruß,
Uranus
Kolia

Re: Laufzeit- vs. Pegelpanning

Beitrag von Kolia » Di 30. Okt 2007, 17:54

Zum Laufzeitpanning ist gegenüber dem Pegelpanning zu sagen, dass die zusätzliche Anwendung der Laufzeit zum Panoramisieren schon recht schwierig ist. Dagegen kann jeder Anfänger sofort an einem Panpot drehen und bekommt sofort sein Erfolgserlebnis mit den Pegeldifferenzen als wandernde Punktschallquelle zwischen den Lautsprechern. Bei der Anwendung von Laufzeitdifferenzen sieht das jedoch deutlich schwieriger aus. Man muss selbst dabei das Hören lernen. Die Anwendung von Laufzeit hat immer auch etwas mit Räumlichkeit und Kammfiltereffekten zu tun. Man kann dabei viel falsch machen. Dazu muss man einiges an Theorie lernen, was man hier nicht in drei Sätzen mal so schnell erklären kann. Beispielsweise ist hier zu ahnen, was so etwa zu wissen wäre:
http://www.google.de/custom?num=20&q=se ... z&filter=0
http://www.google.de/custom?num=20&q=se ... t&filter=0
Wer schon etwas mit der Materie vertraut ist, findet hier weitere interessante Hinweise zum Thema Laufzeitpanning und Pegelpanning:
Zur Problematik des automatischen Downmix von Mehrkanal auf Zweikanal
http://hauptmikrofon.de/HW/Downmix_SRT_ ... g_0505.pdf
Untersuchung zur Positionierung von Schallereignissen im Phantomfeld der Fünfkanal-Stereophonie bei der Mischung von U-Musik
http://www.esbasel.ch/Varia/Sourround/SouPos.PDF
Untersuchungen zur Richtungsabbildung mit L-C-R Hauptmikrofonen
http://www.hauptmikrofon.de/HW/DA_Helmut_Wittek.pdf
Virtual Surround Panning VSP, Studer D950M2 Digital Mixing System, Seite 12 bis 17
http://www.studer.ch/pdf/swiss_sound/swisssound42.pdf
Virtual Surround Panning: Enhanced Version - Seite 6 bis 7
http://www.studer.ch/pdf/swiss_sound/swisssound43e.pdf
Limitations of the ITU 5.1 Surround Sound Standard
http://people.arch.usyd.edu.au/~densil/ ... ullier.pdf
Modifying Stereo Recordings Using Acoustic Information Obtained with Spot Recordings
http://infoscience.epfl.ch/getfile.py?d ... &version=1
Signalanalyse und Raumklang
http://homepage.mac.com/thomas.seelig/T ... klang.html
Literaturliste zu Mehrkanaltonübertragungsverfahren in Theorie und Praxis
http://www2.ak.tu-berlin.de/CBradter/MT ... round.html
pkautzsch

Re: Laufzeit- vs. Pegelpanning

Beitrag von pkautzsch » Di 30. Okt 2007, 18:33

Naja, die Großen der "knüppelnden" Rock-Pop-Szene ziehen ja allesamt analoge Pulte vor und reagieren auf "ITB" und andere digitale Dinge geradezu allergisch. (Witzigerweise benutzen sie allesamt digitale Hallgeräte bevorzugt von Lexicon oder TC...)
Warum sollten sie also etwas Bewährtes durch etwas Digitales ersetzen?
Rainer

Re: Laufzeit- vs. Pegelpanning

Beitrag von Rainer » Di 30. Okt 2007, 19:20

Das ganze Problem sehe ich eher darin, daß es zu analogen Zeiten einfach nicht möglich war, Laufzeitpanpots zu bauen. Das wäre äußerst aufwendig gewesen: Es gab diese sog. "Eimerketten-IC's" mit denen sowas möglich gewesen wäre, aber die Dinger rauschten wie wahnsinnig. Ich habe einmal ein solches Verzögerungsgerät als Diplomarbeit an unserer Hochschule vergeben lassen und der Betreffende Diplomand hat das auch ganz prima hinbekommen. Aber der Rauschabstand - da setzt eben die Physik eine Grenze.
Und diese sog. "Padé-Approximation" wie sie von der Analogrechentechnik her bekannt ist, ist nichts halbes und nichts ganzes.
Die Monokompatibilität ist m.E. heutzutage gar nicht mehr so von Bedeutung wie zur Anfangszeit der Stereofonie, wo ja die überwiegende Mehrzahl der Kunden noch im Besitz von Monogeräten waren.
Es erhebt sich die Frage, ob der Begriff "Monokompatibilität" überhaupt gerechtfertigt ist. In rein technischer Hinsicht vielleicht schon, aber in dramaturgischer Hinsicht - z.B. bei Hörspielen - kann es diese Forderung gar nicht geben.
Ansonsten: Wenn Du die Möglichkeit hast mal ein Digitalpult mit Laufzeitglieder in den einzelnen Kanälen zu bekommen, probiere es einfach mal aus. Da gibt es sicher ein großes Experimentierfeld sowohl im Pop- als auch im Klassikbereich als auch in der Wortaufnahme.

MfG
Rainer
pkautzsch

Re: Laufzeit- vs. Pegelpanning

Beitrag von pkautzsch » Di 30. Okt 2007, 22:40

Auch habe ich bisher noch kein Plugin gefunden (obwohl es 100te schwachsinniger Plugins gibt). Ich fände ein Plugin hilfreich, das man, ähnlich dem Image-Assistant, mit Hauptmikrofondaten füttert, und das dann entsprechend panoramisiert (cooles Wort!)...:-)>Im Idealfall würde das Plugin die auch richtigen frühen Reflexionen generieren. Es sollte auch Blumlein, B-Format, etc. möglich sein.
pkautzsch

Re: Laufzeit- vs. Pegelpanning

Beitrag von pkautzsch » Di 30. Okt 2007, 22:42

Auch habe ich bisher noch kein Plugin gefunden (obwohl es 100te schwachsinniger Plugins gibt). Ich fände ein Plugin hilfreich, das man, ähnlich dem Image-Assistant, mit Hauptmikrofondaten füttert, und das dann entsprechend panoramisiert (cooles Wort!)...:-)
UranusEXP

Re: Laufzeit- vs. Pegelpanning

Beitrag von UranusEXP » Mi 31. Okt 2007, 11:49

Ja, in der Tat wäre so ein Plugin wohl eine der leichtesten Übungen für jemanden mit grundlegenden DSP-Kenntnissen. Zu denen gehöre ich leider nicht...:(
Die einzige Möglichkeit, das konsequent durchzuziehen, sehe ich so:
Mit Hilfe der CATT Reverbsuite, kann ich mir eine IR-Library verschiedener Räume, mit verschiedenen Quellenpositionen und allen möglichen Hauptmikrofonsystemen machen.
Probleme:
-funktioniert natürlich nicht in Echzeit
-Direktschall-IR (wet/dry-Mischung macht ja keinen Sinn mehr, wenn ich eben ein Hauptmikrofon simulieren will) ist nicht eigens exportierbar, es gibt nur IRs die Direktsignal, ERs, Nachhall beinhalten, d.h. ich kann den Raumanteil nicht im Mix runteregeln, sondern muss mir eine neue IR in CATT basteln, sehr umständlich und zeitaufwändig
-rechenintensiv, da jede Spur eine eigene IR benötigt (bei B-Format mit vier Kanälen, Surround mit mindestens 5)
-B-Format höherer Ordnung nicht möglich
Ein paar Workarounds um einige Probleme würden mir schon einfallen. Insgesamt ist es aber bei weitem keine ideale Lösung.
Es ist wirklich grundsätzlich so, dass sämtliche DAW- und Plugin-Hersteller sich viel zu sehr mit der Emulation analoger Komponenten und Workflows beschäftigen, anstatt sich konsequent der Entwicklung wirklich neuartiger Konzepte, die die Vorteile der digitalen Technik wirklich ausnutzen, zu widmen.
Warum trennt man Panning und Raumsimulation in einer modernen DAW überhaupt noch? Die Anwort kann nur sein, dass man sich wohl bewusst oder unbewusst an analoge Konzepte anlehnt. Ich habe Studers VSP noch nicht gehört und die Kosten einer Vista-Konsole sind auch weit jenseits meiner Möglichkeiten. Aber VSP ist das nach meinem Kenntnisstand das einzige Konzept in diese Richtung.
Mit gängigen Faltungshall-Plugins oder Rayverb, kann man das auch nicht konsequent umsetzen, da ich entweder nur eine sehr beschränkte Library (wenige Quellenpositionen pro Raum, ein Hauptmikrofon, etc.) oder anderweitig immer auf "Stereo-Konzepte" anderer angewiesen bin. Ich will selbst entscheiden, mit ob ich mit Laufzeitdifferenz- oder Äquivalenz- oder Pegeldifferenzsystemen arbeite. Auch möchte ich mal versuchen, konsequent in B-Format zu mischen.
Ich habe es auch schon mit Voxengos Impulse Modeller versucht, aber auch hier zeigt sich, dass die Stereofonie selbst bei eignetlich fähigen Herstellern nicht ganz verstanden wird. Das Plugin arbeitet mit dem seltsamen Konzept von "receiving walls" anstatt von virtuellen Mikrofonen. Nun hat so eine virtuelle Wand eine eindimensionale Ausdehnung und ein Mikrofon eben nicht. Wie soll ich nun eine koinzidente Mikrofonanordnung simulieren? Auf meine Rückfrage konnte man mir keine Anwort geben, man verstand nicht mal mein Problem.
Ich habe das Problem auch schon in anderen Foren angesprochen und auch hier zeigte sich, wie erschreckend wenig über die Grundlagen der Stereofonie gewusst wird. Ich bin froh, dass das hier anders ist, und ich endlich vernünftiges Feedback erhalte.
Vielen Dank und besten Gruß,
Uranus
MarkusP.

Re: Laufzeit- vs. Pegelpanning

Beitrag von MarkusP. » Mi 31. Okt 2007, 11:55

Ah tach auch,
ich meine mich sehr deutlich erinnern zu können, daß Pegelpanning hinsichtlich der Stabilität der Lokalisierbarkeit besser ist, als reines Laufzeitpanning, so man es denn versucht. Technisch wäre das ja heutzutage kein Problem mehr.
Wichtig ist nur, daß man bei Haupmikrophonen in AB nicht mit Pegelpanning einengen darf. Die entstehenden Kammfiltereffekte sind nicht "zu verachten".
Interessanter wird die Diskussion, wenn wir sie auf die Verzögerung von Stützmikrophonen erweitern würden. Ich habe damit bei Abmischungen schon gute Ergebnisse erzielt.
Gruß aus Berlin
Markus P.
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