U87/TLM103 - Nachteile Doppelmembran?

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ebs1

Re: U87/TLM103 - Nachteile Doppelmembran?

Beitrag von ebs1 » Fr 7. Nov 2008, 21:18

Großmembranmikrofone sind in der Amateurszene recht beliebt, weil das Mikrofon eben optisch etwas schön Großes darstellt. Und was geil aussieht, das muss auch ebenso klingen. Ist doch klar. Und zu einem großen Sänger gehört unbedingt ein großes Mikrofon, meinen alle Sänger. So ein bulliges Mikrofon wird so gut wie immer nur mit der Richtcharakteristik Niere betrieben, wie die Firma Neumann an der Schalterstellungen der zur Reparatur eingelieferten Mikrofone erkennen kann.
Das große Doppelmembranmikrofon hat aber einen Nachteil, es klingt nicht neutral und Schall aus jeder Schalleinfallrichtung klingt anders verfärbt. Der Mikrofonkörper mit der großen Membran ist im Schallfeld sich stark selber im Wege, besonders bei höheren Frequenzen, d. h. wenn die Wellenlänge kleiner als der Membrandurchmesser ist. Recht neutral klingen dagegen Kleinmembranmikrofone. Nur machen diese kleinen Mikrofone mit 20 cm Membrandurchmesser optisch nicht so viel her wie die dicken "Klopper".
Es kommt nun darauf an, ob man etwa ein Streichquartett in einer räumlichen Umgebung nach ganz natürlichen Musikinstrumenten klingen lassen will oder ob man einen Pop-Sänger trocken im Wohnzimmer eventuell "besser" klingen lassen will als er in Wirklichkeit klingt, in dem man voll in die EQ-Filter und die Kompressoren einsteigt.
Es ist viel schwieriger etwas "natürlich-belassen" klingen zu lassen, als etwas irgendwie "verfärbt-verfremdet" klingen zu lassen.
Ich finde es viel besser, einen Sänger oder ein Musikinstrument mit einem neutral-klingenden Mikrofon aufzunehmen und dann gezielt ein spezielles Sounddesign vorzunehmen, falls es notwendig sein sollte, als ein von Anfang an verfärbendes Mikrofon zu nehmen und mit EQ-Einstellungen zu versuchen noch etwas am Klang zu retten. Aber das ist wohl Ansichtssache.

Viele Grüße ebs

Re: U87/TLM103 - Nachteile Doppelmembran?

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stefan
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Re: U87/TLM103 - Nachteile Doppelmembran?

Beitrag von stefan » Fr 7. Nov 2008, 23:15

zu den Bemerkungen von ebs ist eigentlich nicht viel hinzuzufügen. Vielleicht das noch:
Mikrofone mit grösseren Membranen haben im Vergleich zu Kleinmembran-Mikros eine höhere Empfindlichkeit und dadurch bedingt ein geringeres equivalentes (=auf ihre Empfindlichkeit bei 1 kHz bezogenes) Eigenrauschen. Das war in früheren Zeiten wohl von Vorteil, heutzutage hat das aber wohl kaum mehr Praxisrelevanz. Prinzipiell gilt das aber natürlich noch.

Meine Empfehlung zum Mikrofonkauf: Selber testen und genau hinhören.

Grüsse
Stefan
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hafi69
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Re: U87/TLM103 - Nachteile Doppelmembran?

Beitrag von hafi69 » Fr 7. Nov 2008, 23:32

Auch wenn der Beitrag von ebs/stefan durchaus richtig (und unterhaltsam ist) - er beantwortet leider überhaupt nicht die eigentliche Frage:
Irgendwer hat mal erwähnt, daß ein Doppelmembran Mikrofon gegenüber einer einfachen Membran auch Nachteile haben soll ... stimmt das?
Ich kann Dir diese Frage sicher nicht auf dem Niveau eines ebs beantworten (ich hoffe er holt dies bald nach), aber versuche zwei Aspekte anzureißen:
1.Ich sehe eigentlich keine Nachteile bis auf den höheren Preis einer Doppelmembrankapsel samt Umschaltung, jedenfalls nicht in Stellung Niere. In Kugelstellung hat das auf jeden Fall einen Nachteil, aber das ist ein anderes Thema.
2.Viel wichtiger ist aber, dass das TLM103 keineswegs so klingt wie ein U87. Erstens ist es nicht die gleiche Kapsel, zweitens fehlt der TLM-Serie Naturgemäß der Übertrager (was sicherlich viel weniger ins Gewicht fällt als die Kapselfrage).
Beide Mikrofone teilen sich jedoch das gleiche Problem, und da landen wir wieder OT: Eine Überbetonung des Präsensbereiches.
Das kann bei manchen Quellen "schön" klingen, bei anderen jedoch überhaupt nicht (z.B. oft bei Sängerinnen)
Etwas neutraler verhalten sich da U89 bzw. TLM 170- wenn es denn unbedingt ein Neumann-GM sein soll.

Die Frage stellt sich erneut: Warum will man ein färbendes Mikrofon haben?
bwaack

Re: U87/TLM103 - Nachteile Doppelmembran?

Beitrag von bwaack » Sa 8. Nov 2008, 02:05

Die Frage stellt sich erneut: Warum will man ein färbendes Mikrofon haben?
Weil kein Mensch eine physikalische genaue Reproduktion des Schallereignisses auf einer CD hören will.
Weil z.B. Mig Jagger total blöd klingt, wenn er einem ins Ohr brüllt.

Die Verfärbung einer Groß- oder Doppelmembran fällt kaum ins Gewicht, wenn sich die Schallquelle nicht bewegt, oder nicht besonders groß ist.
Ich find es sogar sehr praktisch, wie man das Höhenspektrum einer Gesangsaufnahme allein durch die Position einer Großmembran beeinflussen kann - das spart den Filtereinsatz und funktioniert oft sehr viel effektiver und unauffällig "natürlicher" als endloses Herumgekurbel an den Pultfiltern. Ich arbeite auch sehr gern mit Großmembran-Achtern - kaum ein anderes Mikrofon liefert auch für tiefe Frequenzen eine so enge Richtcharakteristik, wenn man rückwärtige Raumanteile unter Kontrolle halten kann.

Die "Nachteile" dieser Mikrofone lassen sich also auch als Vorteile nutzen - man muss halt wissen, was man will und was man vor sich hat - und dann nimmt man das richtige Mikrofon.

Grüße
B.
ebs1

Re: U87/TLM103 - Nachteile Doppelmembran?

Beitrag von ebs1 » Sa 8. Nov 2008, 13:30

bwaack hat geschrieben:Die Verfärbung einer Groß- oder Doppelmembran fällt kaum ins Gewicht,
wenn sich die Schallquelle nicht bewegt, oder nicht besonders groß ist.
Einspruch. Das kommt darauf an was und wie man aufnimmt. Und wie scharf man hinhört und vergleicht, auch ob es ein Stützmikrofon ist oder zu einem Stereo-Hauptmikrofonsystem gehört.
Wer mit Großmembranmikrofonen zufrieden ist, der sollte sich eine Auswahl an unterschiedlich färbenden Mikrofonen zulegen. Das freut doch jeden Händler, der das ständig den naiven Anfängern empfiehlt.
Die anderen angebotenen Richtcharakteristiken - außer Niere - werden so gut wie nie eingeschaltet.

Viele Grüße ebs
Gast

Re: U87/TLM103 - Nachteile Doppelmembran?

Beitrag von Gast » So 9. Nov 2008, 11:37

@ ebs
Jaja, nagut. Ich schrieb ja auch "Schallquelle nicht besonders groß" , gehe also eher davon aus, dass man für eine Quelle ein Mikrofon benutzt - und nichts stützt, dann nervts natürlich...

Wir sind uns schon einig:
Das kommt darauf an was und wie man aufnimmt
Grüße
B.
RainerG
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Re: U87/TLM103 - Nachteile Doppelmembran?

Beitrag von RainerG » So 9. Nov 2008, 12:23

Gast hat geschrieben:@ ebs
Jaja, nagut. Ich schrieb ja auch "Schallquelle nicht besonders groß" , gehe also eher davon aus, dass man für eine Quelle ein Mikrofon benutzt - und nichts stützt, dann nervts natürlich...

Wir sind uns schon einig:
Das kommt darauf an was und wie man aufnimmt
Grüße
B.

Wenn ich eine Solo-Geige (nicht besonders groß (!) sondern eher besonders klein!) mit einem Großmembranmikrofon aufnehmen - egal ob als Stütze oder als Hauptsystem - dann nerven mich extrem die typischen Mittenverfärbungen im Gegensatz zu kleinmembranigen Mikrofonen - hört man beim ersten Bogenstrich schon!


Mir persönlich gibt es zu denken, wenn kein Geringerer als Dr. G. Boré (früherer Entwickler der Firma Neumann) in einem privaten Gespräch mit einem seiner Konkurrenten sagte (sinngemäße Rede): "Ich weiß nicht was die Kunden so an den großmembranigen Mikrofonen besonders fasziniert, sind Großembranmikrofone doch physikalisch das eindeutig schlechtere!"

Und: Dr. Boré war nicht nur promovierter Nachrichtentechniker sondern auch studierter Kirchenmusiker mit A-Prüfung!



MfG
Rainer
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Re: U87/TLM103 - Nachteile Doppelmembran?

Beitrag von RainerG » So 9. Nov 2008, 13:14

hafi69 hat geschrieben:Auch wenn der Beitrag von ebs/stefan durchaus richtig (und unterhaltsam ist) - er beantwortet leider überhaupt nicht die eigentliche Frage:



Ich kann Dir diese Frage sicher nicht auf dem Niveau eines ebs beantworten (ich hoffe er holt dies bald nach), aber versuche zwei Aspekte anzureißen:
1.Ich sehe eigentlich keine Nachteile bis auf den höheren Preis einer Doppelmembrankapsel samt Umschaltung, jedenfalls nicht in Stellung Niere. In Kugelstellung hat das auf jeden Fall einen Nachteil, aber das ist ein anderes Thema.
Nicht nur bei Stellung "Kugel" ist eine Doppelmembran von Nachteil (weil ja kein echter Druckempfänger), sondern auch bei Stellung "Acht", weil aufgrund des endlichen Abstandes der beiden Membranen zwischen vorderer und hinterer Memrban eine Phasenverschiebung entsteht, die bei hohen Frequenzen zu einer Verzerrung der Richtcharakteristik führt. Im Extremfall wird in Stellung "Kugel" eine Acht daraus und in Stellung "Acht" eine Kugel !
Aber auch bei Stellung Niere ist es keineswegs gleichbedeutend ob man ein Mikrofon mit Laufzeitglied zur Erzeugung der Niere hat oder eine DM. Betrachtet man sich mal das mechao-elektrische Ersatzschaltbild der Kapsel, wird man feststellen, daß das der einmembranigen Niere von dem der doppelmembranigen erheblich abweicht.
2.Viel wichtiger ist aber, dass das TLM103 keineswegs so klingt wie ein U87. Erstens ist es nicht die gleiche Kapsel, zweitens fehlt der TLM-Serie Naturgemäß der Übertrager (was sicherlich viel weniger ins Gewicht fällt als die Kapselfrage).
.

Es ist nicht nur die Kapsel, die den charakteristischen Klang ausmacht, sondern die gesamte Bauform des Mikrofon geht dabei auf den Klang ein, aufgrund der wellenmechischen Parameter. Würde man ein "U87" mit einer KM84-er Kapsel bestücken, würde es noch lange nicht so klingen wie ein KM84 - weil es eben mechanisch ganz anders aufgebaut wäre.
Der Übertrager macht bei den hohen Frequenzen i.d.R. keine Probleme, wohl aber bei tiefen Frequenzen wenn der Pegel sehr groß wird und der Übertrager dadurch in die Sättigung geht.

Das U89 hat eine Kapsel die völlig anders aufgebaut ist wie die des U87. Außerdem ist sie kleiner. Man könnte von einer "mittelgroßen" Membran sprechen. Guckt man sich den Frequenzgang an, hat das U89 eine Delle im Präsenzbereich und einen geringeren Höhenabfall oberhalb 10 kHz.

Beil all diesen Betrachtungen sollte man nicht nur die Kapsel(größe) alleine betrachten, sondern auch der ganze mechanische Aufbau des Mikrofonkörpers ist von Einfluß !


MfG
Rainer
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Re: U87/TLM103 - Nachteile Doppelmembran?

Beitrag von RainerG » So 9. Nov 2008, 13:26

bwaack hat geschrieben:
Die Frage stellt sich erneut: Warum will man ein färbendes Mikrofon haben?
Weil kein Mensch eine physikalische genaue Reproduktion des Schallereignisses auf einer CD hören will.
Hä? Ich will es physikalisch so genau wie möglich !


Ich find es sogar sehr praktisch, wie man das Höhenspektrum einer Gesangsaufnahme allein durch die Position einer Großmembran beeinflussen kann - das spart den Filtereinsatz und funktioniert oft sehr viel effektiver und unauffällig "natürlicher" als endloses Herumgekurbel an den Pultfiltern. Ich arbeite auch sehr gern mit Großmembran-Achtern - kaum ein anderes Mikrofon liefert auch für tiefe Frequenzen eine so enge Richtcharakteristik, wenn man rückwärtige Raumanteile unter Kontrolle halten kann.

Das funktioniert allerdings nur in der Theorie gut! In der Praxis ist es einfacher, mit den Filtern am Pult zu manipulieren als die Mikrofonposition als "Entzerrerersatz" zu benutzen, die sowieso während der ganzen Aufnahmesitzung niemals unverändert bleibt (oder nagelst Du den Sänger fest und spannst im den Kopf in eine Vorrichtung ein? - ich nicht!).
Außerdem ist man durch die Wahl eines färbenden Mikrofons ein für allemal festgelegt, während man durch Veränderung der Filter am Pult freizügig ist.
Wer "endlos" (im wörtlichen Sinne) an den Filtern am Pult herum kurbelt, sollte sich die Frage stellen ob er den richtigen Beruf hat...! Ich finde passende Entzerrereinstellungen recht schnell - und das ist mir sicherer als am Mikrofon solange herum zu stellen bis es befriedigend klingt und dann immer wieder nachkorrigieren muß, weil der Sänger mal 10 cm sich nach links oder rechts begeben hat.


MfG
Rainer
bwaack

Re: U87/TLM103 - Nachteile Doppelmembran?

Beitrag von bwaack » Mo 10. Nov 2008, 11:46

Rainer ist heute wieder besonders ungnädig...
Mir persönlich gibt es zu denken, wenn kein Geringerer als Dr. G. Boré (früherer En....
schön, dass es Leute gibt, deren Äußerungen Dich noch zum Nachdenken anregen, mein Beitrag hat das ja nicht geschafft...
Aber ich bin ja auch nicht promoviert und auch nicht A-geprüft.... und meine Erfahrung ist, dass abgeschlossene Prüfungen leider kaum ein Qualitätsmerkmal sind - egal ob im Krankenhaus, beim Heizungsmontieren in der Universität oder im Tonstudio.

Wir arbeiten offenbar in sehr verschiedenen Produktionsumgebungen. Mein Ansinnen bei der Aufnahme ist nicht, eine möglichst genaue Reproduktion zu erstellen, sondern dass meine Aufnahme unter möglichst allen Wiedergabebedingungen den typischen Charakter und den musikalischen Ausdruck der Performance wiederspiegelt.
Und ich habe mit Instrumenten zu tun, deren Physik sich leider oft von der Hör-Phantasie von Publikum und Künstler unterscheidet. Dazu kommt, dass in vielen Arrangements gar kein Platz ist, alle Instrumente mit ihrer individualität wiederzuspiegeln.

Ich suche also die Aufnahme zu erstellen, bei der ich denjenigen Anteil des Bogenstrichs so bekomme, wie ich ihn brauche, nicht wie er ist, denn meistens ist das im Sinne vom Künstler auch gar nicht gewünscht.
Ich freue mich, wenn ich Griffgeräusche einer Gitarre schon durch die Mikronierung bedämpfen kann - und dabei kann mir ein Großmembranmikrophon helfen.

Ich stimme zu, dass im Zeitalter der völlig frei parametrisierten digitalen Filter der färbende Charakter durch die Wahl des Mikrophons besser erstzt werden kann - auf analogen Pulten waren die steilsten Flanken eigentlich nur durch Mikrofonierung zu erreichen.
dann nerven mich extrem die typischen Mittenverfärbungen im Gegensatz zu kleinmembranigen Mikrofonen - hört man beim ersten Bogenstrich schon!
Dann ist es wohl Zeit, mit der Mikrofonposition zu experimentieren.... Ich weiß schon, du nimmst dann einfach eine Kleinmembrankugel und mikrofonierst in einem Meter Entfernung... und ich nehme eine Großmembran und freue mich, dass man den Bogenstrich auch dann noch mitbekommt, wenn der Schlagzeuger gleichzeitig auf das China drischt -

Viel Spaß weiterhin beim Nachjagen der physikalischen Reproduktion... ich denke trotzdem, dass eine Ocean-Drum mehr nach einem entfernten Strand klingt, als ein entfernter Strand - ganz egal mit welchem Mikro duch versuchst, den einzufangen.

Sei versichert, wenn ich ein perfektes Instument, einen perfekten Interpreten, einen perfekten Raum habe und die Wiedergabebedingungen meiner Aufnahme selbst bestimmen kann, dann nehme ich bestimmt auch eine Kleinmembrankugel...

kommt nur leider so selten vor.

Grüße
B.
RainerG
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Re: U87/TLM103 - Nachteile Doppelmembran?

Beitrag von RainerG » Mo 10. Nov 2008, 15:13

bwaack hat geschrieben:Rainer ist heute wieder besonders ungnädig...

Oh nein - ich nicht ungnädig, sondern sage nur die Wahrheit! Aber die Wahrheit wollen ja viele leider nicht hören...
"Was ist Wahrheit?" hat ja Pilatus schon gefragt...! Aber die Wahrheit richtet sich nicht nach uns, sondern wir müssen uns nach ihr richten.

schön, dass es Leute gibt, deren Äußerungen Dich noch zum Nachdenken anregen, mein Beitrag hat das ja nicht geschafft...
Aber ich bin ja auch nicht promoviert und auch nicht A-geprüft.... und meine Erfahrung ist, dass abgeschlossene Prüfungen leider kaum ein Qualitätsmerkmal sind - egal ob im Krankenhaus, beim Heizungsmontieren in der Universität oder im Tonstudio.
Du musst auch keinen "Dr." haben und auch kein A-Examen. Nur: Leute mit dieser Qualifikation wie Dr. Boré haben als ausgebildete Musiker auch geschulte Ohren und wissen wovon sie reden und haben sich auch nicht über Jahre hinweg die Ohren so verbildet wie es viele heutzutage haben und sind auch als "Dr." der Nachrichtentechnik bei weitem nicht so anfällig gegen allerlei Halbwissen und Halbwahrheiten. Dies sollte man nicht vergessen. Und ich möchte auch dem vorbeugen, daß man solche Leute wie Dr. Boré nicht für dumm verkaufen und als "Materialisten" abstempeln soll (vor allem auf dem Gebiet der Musik) nur weil sie mit Formeln, Differentialgleichungen etc. hantieren, und meint, sie könnten einen Violinschlüssel nicht von einem Schraubenschlüssel unterscheiden.
Das Problem ist doch, dass die Fans die so auf Großmembranmikrofone schwören auch nicht bereit sind, mal andere Wege zu gehen.
Ich habe lange Zeit auch Großmembranmikrofone benutzt, vor allem als Stereohauptmikrofon - meist Neumann SM 69fet - über Sinfonieorchestern und U87 und U89 für Bläser und ähnliche. Aber ich bin aus Überzeugung - und nicht durch "Philosophien" - davon abgekommen (und zwar BEVOR ich das Zitat von Dr. Boré zu Ohren bekam!).
Ich bin nicht unbedingt überzeugt von all dem was Jürg Jecklin in seinem bekannten Werk "Musikaufnahmen" schreibt (was ja bei vielen Leuten - vor allem bei Amateuren - schon als die "heilige Schrift der Musikaufnahme" gilt), aber in einem Punkt stimme ich ihm uneingeschränkt zu wenn er schreibt: "Wer seine Arbeit einer 'Philosophie' unterordnet, darf sich nicht wundern, wenn seine Aufnahmen eines Tages nicht mehr marktgerecht sind".
Und das sollten sich die Großmembran-Fans mal auf der Zunge zergehen lassen.
Großmembranmikrofone nehme ich nur noch dort, wo die typischen Verfärbungen nicht mehr störend in Erscheinung treten (z.B. Kontrabaß) oder wo ich die Richtcharakteristikumschaltung mal brauche (habe aber auch einige Kleinmembraner mit umschaltbarer Richtcharakteristik).
Wir arbeiten offenbar in sehr verschiedenen Produktionsumgebungen. Mein Ansinnen bei der Aufnahme ist nicht, eine möglichst genaue Reproduktion zu erstellen, sondern dass meine Aufnahme unter möglichst allen Wiedergabebedingungen den typischen Charakter und den musikalischen Ausdruck der Performance wiederspiegelt.
Na, als ob das nur mit Großmembranmikrofonen möglich wäre...
Und ich habe mit Instrumenten zu tun, deren Physik sich leider oft von der Hör-Phantasie von Publikum und Künstler unterscheidet. Dazu kommt, dass in vielen Arrangements gar kein Platz ist, alle Instrumente mit ihrer individualität wiederzuspiegeln. Ich suche also die Aufnahme zu erstellen, bei der ich denjenigen Anteil des Bogenstrichs so bekomme, wie ich ihn brauche, nicht wie er ist, denn meistens ist das im Sinne vom Künstler auch gar nicht gewünscht.
Ich sage immer wieder: Kein Musiker weiß wie SEIN Instrument wirklich klingt! - kann er auch gar nicht, weil er es aus einer völlig anderen Perspektive hört als der Zuhörer: Folglich wird er immer falsche Vorstellungen haben was er von einer Aufnahme hört. Ich wundere mich oftmals wie naiv Musiker - egal ob Laie oder Profi - sind, wenn sie sagen: "So habe ich nicht gesungen"... "so singe ich nicht.."... "so spiele ich/spielen wir nicht...." Was für ein naiver Quatsch!
Als ich mich in der Schule im Englischunterricht (unser Lehrer hatte unsere Leseübungen mal aufgenommen) zum ersten Mal vom Tonband hörte war ich erschrocken und konnte es kaum glauben dass das meine Stimme sein sollte! Und das trotz billigem Mikrofon!
Ich freue mich, wenn ich Griffgeräusche einer Gitarre schon durch die Mikronierung bedämpfen kann - und dabei kann mir ein Großmembranmikrophon helfen.
.

Wer behauptet, dass das nur mit einem Großmembranmikrofon ginge, hat bestimmt noch keine andere Alternative probiert.
Ich stimme zu, dass im Zeitalter der völlig frei parametrisierten digitalen Filter der färbende Charakter durch die Wahl des Mikrophons besser ersetzt werden kann - auf analogen Pulten waren die steilsten Flanken eigentlich nur durch Mikrofonierung zu erreichen.
.
Das ist mir etwas missverständlich: Sollte es nicht heißen "durch die Wahl der Filtercharakteristik" anstatt durch die Wahl der Mikrofone?
dann nerven mich extrem die typischen Mittenverfärbungen im Gegensatz zu kleinmembranigen Mikrofonen - hört man beim ersten Bogenstrich schon!.
Dann ist es wohl Zeit, mit der Mikrofonposition zu experimentieren....
.

Beim Stereohauptmikrofon noch mit der Position experimentieren?
Glaube mir: Ob das Ding ½ Meter an der Geige steht, oder 10 Meter entfernt: Ich höre sofort ob da ein SM 69 / U8x oder ein KM 8x /CMC 5x im Einsatz ist!

Sei versichert, wenn ich ein perfektes Instument, einen perfekten Interpreten, einen perfekten Raum habe und die Wiedergabebedingungen meiner Aufnahme selbst bestimmen kann, dann nehme ich bestimmt auch eine Kleinmembrankugel...
.

Wenn ich Dich richtig verstehe: Du hast weder einen perfekten Raum, noch einen perfekten Interpreten, noch ein perfektes Instrument: Und Du willst dieses Nicht-Ideal durch ein noch unperfekteres Mikrofon noch weiter unperfektionieren ?
Wiedergabebedingungen: Man sollte wirklich mal darüber nachdenken, ob es denn Sinn und Zweck einer jeden Musikproduktion (ob Klassik oder Pop) ist, dass sie auch noch auf jeder billigen Küchenquäke noch perfekt klingt?
...kommt noch soweit, dass einer sagt: "Ich habe noch einen alten VE, warum klingt es denn da so miserabel?"
B.T.W.: Ein Kollege von mir hat tatsächlich noch einen alten funktionierenden VE 301! Und der klingt besser als manche moderne Küchenquäke!

Das Problem dieser ganzen Großmembranphilosophie ist viel mehr: Man will eingefahrene Geleise nicht verlassen und ist nicht bereit auch nur mal versuchsweise neue Wege zu gehen - haben mir Leute vom Rundfunk selbst schon gesagt. Unsere Ohren gewöhnen sich sehr schnell an einen gewissen "Sound" - und viele haben sich ihre Ohren durch technische Unzulänglichkeiten im Laufe der Jahre verbildet (oder warum schwören denn so viele noch auf das gute alte "U47" [gemessen am heutigen Stand der Technik ist dieses alles andere als "gut"]) - daß es schwer ist, sich von diesen Gewohnheiten zu trennen.
Ich habe damals einen radikalen Schlußstrich gezogen: Weg mit dem analogen Tonband - Umstieg auf "Digitalaufnahme", weg mit dem analogen Mischpult - Umstieg auf "Digitalpult" und weg mit den Großmembranern - Umstieg auf Kleinmembraner! Und ich habe es nicht bereut - und meine Kunden sind mir deswegen überhaupt nicht böse!
Und der Glaube der Anfänger - wie es ebs schon erwähnt - "Großer Künstler-Großes Mikrofon", man muß ja Eindruck schinden!
Interessant ist nur, dass wenn man heutzutage im Fernsehen Musiksendungen sieht, immer mehr Kleinmembranmikrofone im Einsatz sind, wo sonst die großem Monster standen.
Es ist viel schwerer, die typischen Verfärbungen von Großmembranmikrofonen mit dem EQ weg zu entzerren, als ein Kleinmembranmikrofon per EQ auf "großmembranig" zu trimmen. Das merke ich am deutlichsten, wenn ich für Orgelaufnahme ein Neumann "QM 69" verwende und das dann per EQ so trimme damit es einigermaßen wie ein Kleinmembraner klingt. Das QM 69 nehme ich - weil ich in diesem Fall abhängen muß - nur aus Bequemlichkeit und weil ich die Richtcharakteristik durch die Mischung am Pult fernsteuern kann.
Und das QM 69 habe ich mir nur deshalb damals gekauft, weil Neumann die Fertigung dieses Mikrofons eingestellt (ist ja ein "Quadromikrofon") und es das vorletzte war was sie am Lager hatten!

Und nochetwas als Nachtrag: Je neutraler ein Mikrofon ist, desto universeller verwendbar ist es. Das ist der Entwicklungsleitsatz der Firma Schoeps! Und die bauen ja bekanntlich ausschließlich Kleinmembranmikrofone.

MfG
Rainer
MIC

Re: U87/TLM103 - Nachteile Doppelmembran?

Beitrag von MIC » Di 11. Nov 2008, 22:57

Hi Leute!

Das ist ja unglaublich wieviele Antworten ihr geschrieben habt - damit hatte ich gar nicht gerechnet! Viele lieben Dank schonmal - Ich habe mich auch schon komplett durch alle Antworten gelesen, das ist ja alles super kompetent und nachvollziehbar, aber letztendlich bleibt meine Frage nicht ganz beantwortet: Lohnt sich die Mehrausgabe für ein U87 wenn man die Umschaltung nicht braucht? Wäre Klasse, wenn mir jemand hier eine direkte Antwort geben könnte.

Danke!

Mic

PS: Ich fand die Geschichte mit der Reparatur so Klasse wo der Schalter eigentlich immer auf Niere stand ;-) Das würde bei mir bestimmt auch der Fall sein ...
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Re: U87/TLM103 - Nachteile Doppelmembran?

Beitrag von hafi69 » Di 11. Nov 2008, 23:24

Ich denke nicht das sich das für dich lohnt... Für das selbe Geld würde ich lieber drei unterschiedliche Kaufen:
Ein GM wie das TLM103 (oder C414), ein hochwertiges KM-Kondenser wie ein KM184 oder MC930 oder C480 und ein gebrauchtes MD441. Ich denke das wird Dir mehr Erfahrung bringen als jedes Forum... ;)
stefan
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Re: U87/TLM103 - Nachteile Doppelmembran?

Beitrag von stefan » Mi 12. Nov 2008, 07:06

hafi69 hat geschrieben:Ich denke nicht das sich das für dich lohnt... Für das selbe Geld würde ich lieber drei unterschiedliche Kaufen:
Ein GM wie das TLM103 (oder C414), ein hochwertiges KM-Kondenser wie ein KM184 oder MC930 oder C480 und ein gebrauchtes MD441. Ich denke das wird Dir mehr Erfahrung bringen als jedes Forum... ;)
das sehe ich ähnlich und diese Flexibilität eine grössere Mikrofonauswahl zu haben wäre mir mehr wert, als den dicken Brummer U87 am Stativ. Es gibt auch mit den Neumännern vergleichbare GM Mikrofone von anderen Herstellern, die allerdings nicht unbedingt günstiger sind. Fa. Brauner baut ebenfalls Mikrofone, die sich optisch wirkungsvoll in Szene setzen :)

Jedoch hat die Bequemlichkeit, das (Doppelmembran-)Mikrofon einfach umzuschalten, anstatt jeweils ein geeignetes anderes aufs Stativ zu schrauben, einen grösseren Preis, als nur die Anschaffung: der klangliche Kompromiss, wie hier schon erwähnt wurde. Aber wenn mit diesem Kompromiss bewusst gearbeitet wird, ist dagegen ja nichts einzuwenden.

Ich werde hier zwar nicht für Werbung bezahlt, aber wer sich für die Anschaffung eines TLM103 interessiert, sollte sich auch mal das MicrotechGefell M930 ansehen, anhören und seine Ohren entscheiden lassen.
Mic

U87/TLM103 - Nachteile Doppelmembran?

Beitrag von Mic » Fr 7. Nov 2008, 13:02

Hallo,

der Vorteil einer Doppelmembran ist natürlich die einfache Umschaltung der Richtcharakteristik. Irgendwer hat mal erwähnt, daß ein Doppelmembran Mikrofon gegenüber einer einfachen Membran auch Nachteile haben soll ... stimmt das?

Ich stehe vor der Entscheidung U87/TLM103, da ich bei mir eigentlich immer eine Niere verwenden muss (Reflexionen von der Studiotür) bin ich fast versucht evtl. "nur" das TLM103 zu kaufen. Wenn jetzt noch die Doppelmembran des U87 Nachteile hätte würde mich das in meinen Überlegungen nur bestärken ... ???

Es grüßt euch - Mic
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